Zukunft gestalten: Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis Gesundheit im Gespräch mit Kerstin Blum und Jürgen Graalmann

Zukunft gestalten: Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis Gesundheit im Gespräch mit Kerstin Blum und Jürgen Graalmann

Deutscher Nachhaltigkeitspreis Gesundheit – Interview Kerstin Blum & Jürgen Graalmann

In diesem Jahr geht der Deutsche Nachhaltigkeitspreis Gesundheit in die zweite Runde. Noch bis 16. Juni können Initiativen und Projekte sich bewerben, die das Gesundheitswesen fit für die Zukunft machen: Durch Lösungen für mehr ökologische, wirtschaftliche oder soziale Nachhaltigkeit. Der Preis wird vergeben in drei Kategorien: „Gesundheit stärken“, „Versorgung gestalten“ und „Umwelt schützen“. Wir haben zwei der Initiatoren des Preises interviewt.

Frau Blum, sie arbeiten als Geschäftsführerin der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ an der Schnittstelle zwischen Klima, Umwelt und Gesundheit. Was treibt sie um?

Auch wenn in der aktuellen politischen Diskussion Klima- und Umweltthemen aktuell eher kurz kommen: Die Klimakrise ist längt da. Und sie ist eine der größten Gefahren für unsere Gesundheit. Hitze wird zu einer immer größeren Belastung. Luftverschmutzung, UV-Strahlung und Allergien führen bereits heute zu riesigen Gesundheitsschäden und werden alle durch die Klimakrise weiter steigen. Mücken und Zecken, die sich immer weiter nördlich wohl fühlen, bringen neue Krankheiten mit sich. Und neben der körperlichen Gesundheit leidet auch die Seele – die psychischen Belastungen durch die Klimakrise nehmen vor allem bei jungen Menschen zu.

Das Gesundheitswesen und seine Beschäftigten sind direkt betroffen, sie werden mit all diesen Herausforderungen umgehen müssen. Doch ihre Verantwortung endet nicht beim Umgang mit den neuen Gesundheits-bedrohungen. Ökologische Nachhaltigkeit beginnt derzeit zu einem zentralen Thema zu werden in einem System, das für mehr als 6 % des Treibhausgasausstoßes in Deutschland verantwortlich ist und heute 80 Prozent mehr Rohstoffe verbraucht als Mitte der 1990er-Jahre, Tendenz steigend.

Deshalb hat Eckart von Hirschhausen unsere Stiftung Gesunde Erde-Gesunde Menschen gegründet. Wir mobilisieren Gesundheitswesen, Politik und Gesellschaft für den Schutz der planetaren Gesundheit und eine enkeltaugliche Zukunft. Mit Kommunikation, die Kopf und Herz erreicht. Denn: Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde.

Herr Graalmann, hat das Gesundheitswesen nicht gerade andere „Baustellen“ als den Klimaschutz?

Sie haben recht: Die neuen Herausforderungen, die Kerstin beschreibt, treffen auf ein System in der Krise. Durch den demografischen Wandel erreicht die Nachfrage nach Gesundheitsversorgung und Pflege in den kommenden Jahren einen neuen Höhepunkt. Sie trifft auf ein System, das mit einem massiven Fachkräftemangel kämpft und dessen Finanzierung seit Jahrzehnten ein Dauerthema ist. Ob ökologisch, sozial oder wirtschaftlich – das heutige Gesundheitswesen hat in allen Dimensionen der Nachhaltigkeit riesige Baustellen.

Doch auch im Gesundheitswesen ist die Diskussion um Nachhaltigkeit, Energie- und Ressourcenschonung in vollem Gange. Überall arbeiten Einrichtungen, Unternehmen und Institutionen daran, ihren Beitrag zu identifizieren und neue Lösungen zu entwickeln. Dabei erkennen viele bereits die große Chance, ökologische Nachhaltigkeit zu verbinden mit den dringend benötigten Strukturreformen, dem Schaffen eines effizienteren Gesundheitssystems, das tatsächlich die Gesundheit der Menschen in den Mittelpunkt stellt, statt der Behandlung von Krankheit.

Und trotzdem, Frau Blum: Eigentlich finden die großen Veränderungen hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft doch in anderen Sektoren statt, z.B. im Energiesektor oder im produzierenden Gewerbe, oder?

Wenn sie gelingt, entwickelt Veränderung im Gesundheitswesen hohe Strahlkraft auch in andere Gesellschaftsbereiche. Denn jeder Mensch hat, oft in prägenden Lebensphasen, direkten Kontakt mit seinen Beschäftigten und Einrichtungen. Mit der Botschaft, dass Klimaschutz immer auch Gesundheitsschutz ist, kann das Gesundheitswesen zum Vorreiter der Transformation werden. Die Veränderungen, die wir für den Schutz unserer Lebensgrundlagen umsetzen müssen, sind extrem herausfordernd. Aber es geht nicht nur um Verzicht, wie man manchmal meinen könnte. Wir haben die Aufgabe und die Chance, die menschengemachten Systeme, in denen wir leben, neu zu denken. Wir können sie nachhaltiger und gerechter machen – aber vor allem auch gesünder! Die Energiewende, die Ernährungswende, Verkehrswende oder Bauwende – sie alle haben das Potential für viel mehr Gesundheit! Wenn wir diesen Gedanken als Gesundheitswesen verstehen und bekannt machen, können wir wichtige Botschafter für eine enkeltaugliche Zukunft sein.

Herr Graalmann, welche Rolle spielt der Deutsche Nachhaltigkeitspreis Gesundheit bei dieser Aufgabe?

Um Leuchttürme für Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen auch über dessen Grenzen hinaus bekannt zu machen, verleiht die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis in Zusammenarbeit mit der BARMER und der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen seit 2024 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Gesundheit. Er setzt die wichtigen Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Nachhaltigkeit durch gute Beispiele in den Fokus von Wirtschaft, Politik, Medien und einer breiteren Öffentlichkeit, und fördert dadurch Veränderungen im Gesundheitswesen. Wir als BrückenKöpfe unterstützen als Partner für die Konzeption des Preises und das Assessment der Bewerbungen.

Informationen zum Deutschen Nachhaltigkeitspreis Gesundheit und Bewerbungsportal unter: https://www.nachhaltigkeitspreis.de/wettbewerbe/gesundheit

Kerstin Blum ist Geschäftsführerin der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen, die sie seit 2019 mit dem Gründer Dr. Eckart von Hirschhausen aufbaut. Daneben entwickelt sie bei der Berliner Agentur „Die BrückenKöpfe“ Strategien zum Thema „Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen“. Sie greift zurück auf mehr als 20 Jahre Erfahrung im gesundheitspolitischen Umfeld mit wechselnden Perspektiven: Als Mitarbeiterin im Bundestagsbüro, als Projektmanagerin bei der Bertelsmann Stiftung und als Abteilungsleiterin beim AOK-Bundesverband.

Jürgen Graalmann ist seit 25 Jahren im Gesundheitswesen aktiv. Nach Studium und Stationen in der privaten Krankenversicherung war er lange Jahre Leiter Gesundheits- und Unternehmenspolitik der BARMER, danach AOK-Politik-Geschäftsführer und bis 2015 Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Berliner Konzept- und Beteiligungsagentur Die BrückenKöpfe sowie Geschäftsführer des Deutschen Pflegetages, den er 2014 mit initiiert hat.

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